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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 06.05.2004
Aktenzeichen: 2 U 213/03
Rechtsgebiete: BRAGO, Kommunalverfassung des Landes
Vorschriften:
BRAGO § 57 | |
Kommunalverfassung des Landes § 62 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 6. Mai 2004
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht Borchert, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knoke und den Richter am Oberlandesgericht Ulmer für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Oktober 2003 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.929,34 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Berufung, mit der sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung, der Klägerin noch 2.929,34 EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie dagegen wendet, dass das Landgericht ihre Aufrechnung auch mit einer Gegenforderung in Höhe von 7.277,61 EUR nicht hat durchgreifen lassen, ist zulässig und begründet.
Zwar ist das Landgericht zutreffend von einer Überzahlung der Forderung aus dem Vergleich vom 6. Dezember 2001 in dem Verfahren 20 0 4105/01 LG Hannover in Höhe von insgesamt 21.990,63 EUR ausgegangen. Dieser Forderung steht aber nicht nur der Anspruch der Beklagten auf Verzugszinsen in Höhe von 19.061,29 EUR entgegen, den die Klägerin schon in erster Instanz unstreitig gestellt hat. Die Beklagte kann vielmehr auch mit einer weiteren Forderung in Höhe von 7.277,61 EUR aufrechnen, die sich aus der anwaltlichen Kostenrechnung vom 18. Oktober 2002 (Bl. 46 d. A.) ergibt. Der Senat geht entgegen der Auffassung des Landgerichts davon aus, dass auch der dieser Kostenrechnung zugrunde liegende Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung gemäß § 62 Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, die folgenden Wortlaut hat:
"Zur Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen die Gemeinde wegen einer Geldforderung bedarf der Gläubiger einer Zulassungsverfügung der Rechtsaufsichtsbehörde, es sei denn, dass es sich um die Verfolgung dinglicher Rechte handelt. In der Verfügung bezeichnet die Rechtsaufsichtsbehörde die Vermögensgegenstände, in welche die Zwangsvollstreckung zugelassen wird, und den Zeitraum, in dem sie stattfinden soll. Die Zwangsvollstreckung wird nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung durchgeführt."
eine Gebühr i. S. der §§ 57 ff. der hier noch anwendbaren BRAGO auslöst. Zwar ist streitig, ob ein entsprechender Antrag, der etwa auch in § 146 der hessischen Gemeindeordnung oder § 114 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen vorgesehen ist, zur Entstehung einer Anwaltsgebühr für das Vollstreckungsverfahren führt (bejahend OLG Düsseldorf, Rpfl 1986, 109; verneinend OLG Frankfurt, JurBüro 1974, 551; OLG Koblenz, MDR 1990, 733; Gerold/Schmidt/von Eycken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 57 Rz. 20). Der Senat sieht aber im Ergebnis keine Unterschiede zwischen der Ankündigung der Zwangsvollstreckung gegenüber dem Bund oder einem Land nach § 882 a ZPO, die unstreitig eine Gebühr für das Zwangsvollstreckungsverfahren auslöst (s. etwa Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 882 a Rz. 9 i. V. m. § 788 Rz. 19 "Anzeige"; Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO, § 58 Rz. 18; Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 58 BRAGO Rz. 11) und dem Antrag nach § 62 Abs. 1 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern.
Die Parallelität der Vorschriften ergibt sich insoweit bereits aus der Tatsache, dass gemäß § 15 Nr. 3 EGZPO die landesrechtlichen Vorschriften die Regelung des § 882 a ZPO verdrängen (dazu Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 15 EGZPO Rz. 1 ; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 15 EGZPO Rz. 4) und damit Parallelregelungen zu der Ankündigung der Zwangsvollstreckung gegenüber dem Bund und den Ländern vorliegen. Der Senat schließt sich deshalb der überzeugenden Auffassung des OLG Düsseldorf (Rpfleger 1986, 109) an, dass das Ziel der beiden Erklärungen entscheidend ist, den Weg für die Zwangsvollstreckung frei zu machen und nicht etwa mit dem Antrag die Vollstreckbarkeit der Entscheidung erst hergestellt werden soll. Die gegenteiligen Entscheidungen des OLG Frankfurt (JurBüro 1994, 1551) und des OLG Koblenz (MDR 1990, 733), nach denen der Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung noch zum Erkenntnisverfahren gehören soll und ebenso wie die Einholung von Notfrist und Rechtskraftzeugnissen sowie die Erteilung einer Vollstreckungsklausel noch keine Gebühr für das Vollstreckungsverfahren auslösen soll, weil die Aufsichtsbehörde erst noch zu entscheiden habe, in welche Gegenstände sie die Vollstreckung zulasse, überzeugt den Senat nicht.
Die Beklagte führt in der Berufungsbegründung mit Recht aus, dass es bei dem Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung nicht um eine bloße technische Handlung geht, wie etwa bei der Einholung eines Rechtskraftzeugnisses. Vielmehr kann es im Antragsverfahren bereits zu einem Schriftverkehr mit anwaltlicher Tätigkeit kommen. Dabei hat die Aufsichtsbehörde allerdings nicht zu entscheiden, ob der im Zivilprozess geschaffene Titel überhaupt vollstreckbar ist. Diese Entscheidung fällt nicht die Aufsichtsbehörde, sondern vielmehr das Zivilgericht. Der Entscheidung der Aufsichtsbehörde obliegt nach dem Wortlaut des § 62 Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Falle der Zulassung der Zwangsvollstreckung vielmehr nur die Bezeichnung der Gegenstände, in die die Zwangsvollstreckung zugelassen wird und die Angabe des Zeitraums, in dem die Zwangsvollstreckung stattfinden soll. Durch diese Entscheidung wird aber die Vollstreckungsfähigkeit des Urteils nicht originär hergestellt. Vielmehr werden durch diese Entscheidung nur die Bedingungen der Zwangsvollstreckung definiert. Es handelt sich deshalb nach Auffassung des Senats auch nicht um ein Verfahren, das dem Erkenntnisverfahren zugeordnet werden muss, weil in diesem Verfahren noch die grundsätzliche Vollstreckbarkeit des Titels in Frage gestellt werden kann. Vielmehr geht es - ungeachtet der Tatsache, dass bei § 882 a ZPO nur eine Frist abzuwarten ist - nur darum, dass die Vollstreckung gegen öffentlichrechtliche Körperschaften von bestimmten Umständen abhängig ist, die allerdings außerhalb des Erkenntnisverfahrens liegen.
Bei dieser Sachlage ist es aus Sicht des Senats nicht überzeugend, zwischen § 882 a ZPO und § 62 der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu differenzieren. Beide Vorschriften sind darauf gerichtet, einen im Erkenntnisverfahren geschaffenen Titel gegenüber der öffentlichrechtlichen Körperschaft formell vollstreckbar zu machen. Darauf, dass in einem Fall nur eine Frist abzuwarten ist, während im anderen Fall die Aufsichtsbehörde die Gegenstände zu bezeichnen hat, in die vollstreckt werden kann und den zeitlichen Rahmen für die Vollstreckung vorzugeben hat, kommt es für die Entstehung der Anwaltsgebühr letztlich nicht entscheidend an. In der Berufungsbegründung wird insoweit mit Recht auf das entsprechende "Vorverfahren" bei der Vollstreckung von Ansprüche auf Vornahme vertretbarer Handlungen hingewiesen, bei denen ebenfalls vor der Ersatzvornahme zunächst ein Antrag nach § 887 ZPO gestellt werden muss, der bereits die Vollstreckungsgebühr für den die Zwangsvollstreckung betreibenden Rechtsanwalt auslöst.
Der Senat hält auch die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Klägerin wegen der Kosten im Übrigen für gegeben. Die Beklagte hat sich unstreitig zur gesamtschuldnerischen Haftung der Erfüllung des Vergleiches verpflichtet. Sie haftet deshalb auch für die notwendigen Zwangsvollstreckungskosten, die gegenüber einem der beiden Gesamtschuldner angefallen sind (s. Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 788 Rz. 10). Dies gilt sowohl für den materiellen Anspruch, der aufgrund des Verzugs der Klägerin mit der Erfüllung des Vergleichs begründet worden ist, als auch für den vollstreckungsrechtlichen Anspruch, der darauf beruht, dass die Beklagte zunächst die Zulassung der Zwangsvollstreckung beantragen musste. Dabei spielt es keine Rolle, dass es letztlich zur Zwangsvollstreckung nicht gekommen ist, weil die Klägerin den Vergleich später doch noch freiwillig erfüllt hat. Die Gebühr für den Antrag nach § 62 Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist mit der Antragstellung entstanden.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie für die Kosten nicht einzustehen habe, weil es sich nicht um "notwendige Kosten" der Zwangsvollstreckung gehandelt habe, weil von vornherein keine Möglichkeit bestanden habe, in das Vermögen des Abwasserzweckverbandes T. zu vollstrecken, steht dieser Auffassung bereits entgegen, dass zwar der Landrat des Landkreises Demmin die Zwangsvollstreckung mangels vollstreckbarer Vermögensgegenstände nicht zugelassen hat, zugleich aber angekündigt hat, dem Zweckverband die Kreditaufnahme zur Erfüllung der Forderung aus dem Vergleich zu ermöglichen. Insoweit muss der Zweckverband über die erforderlichen Mittel zur Besicherung eines Kredites in Millionenhöhe verfügt haben, so dass die Klägerin die fehlende Vollstreckbarkeit des Vergleichs nicht nachgewiesen hat. Darüber hinaus verweist die Klägerin auf die Ansprüche des Zweckverbandes gegen die Mitgliedskörperschaften, die sie ebenfalls als Grundlage für ihre Zwangsvollstreckung in Anspruch zu nehmen beabsichtigte. Zu einer rechtsmittelfähigen Entscheidung im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung ist es nicht gekommen, der Senat kann daher auch nicht feststellen, dass der Abwasserzweckverband die von ihm in den Vergleich übernommene Verpflichtung tatsächlich eingegangen ist, ohne die erforderlichen Mittel zu haben, um diese Verpflichtung zu erfüllen.
Die Beklagte kann deshalb auch gegenüber der verbleibenden restlichen Überzahlung mit einem Teilbetrag ihrer Gebührenforderung aufrechnen, der Anspruch der Klägerin aus der Überzahlung ist vollständig erloschen. Auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage der Umsatzsteuerpflicht des Vergleichs braucht nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Ziff. 8 EGZPO.
Ende der Entscheidung
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